Über Victoria Horne and Amy Tobin- an unfinished revolution in art historiography, or how to write a feminist art history
Mona Rauch, Luka Zimmer

Die Kunsthistorikerinnen Victoria Horne und Amy Tobin widmen sich in ihrer Arbeit vornehmlich der Frage nach feministischer Kunstgeschichtsschreibung. Sie organisieren aus diesem Kontext heraus wissenschaftliche Workshops zu feministischem Schreiben und kollaborativem Arbeiten.
In dem Text “An unfinished revolution in art historiography, or how to write a feminist art history” erläutern sie das Medium des kollaborativen Arbeitens in der feministischen Wissensproduktion und ordnen es in einen historischen Zusammenhang ein.
Zunächst rollen sie die allgemeine Problematik der feministischen Kunstgeschichtsschreibung auf, um ihr Argument zu stützen, dass kollaboratives Arbeiten in diesem Kontext sinnvoll ist. Die herrschenden traditionellen diskursiven Strukturen der Disziplin, und Form und Inhalt der kunsthistorischen Wissensproduktion wollen neu hinterfragt und auf die Notwendigkeit einer selbstreflexiven Arbeitsweise aufmerksam gemacht werden.
Die feministische Kunstgeschichtsforschung hat in der Historie schon wichtige Ansätze entwickelt, die Horne und Tobin nun als Ausgangspunkt nehmen, um von diesen zu profitieren und diese weiter zu denken. Aufgrund der Annahme, dass das historische Gedächtnis für eine erfolgreiche feministische Politik der Gegenwart wichtig sei, situieren sie ihre kollaborative Praxis in einem historischen Zusammenhang. Dieses Denkmuster manifestiert sich auch in der Argumentationsstruktur des Textes.
Daraufhin erläutern sie das Modell der kollektiven Wissensproduktion und stellen die britischen kollaborativen feministischen Bewegungen der 70er Jahre, welche außerhalb von Institutionen gearbeitet haben, den zur gleichen Zeit in den USA entwickelten Bewegungen gegenüber, welche ihre Arbeiten im akademischen Kontext durchgeführt haben. In Ihrer eigenen Arbeit stellen sie klar, dass sie durch strukturelle und monetäre Abhängigkeiten an einen institutionellen Rahmen gebunden sind, aber äußern zugleich ihr Interesse an nicht hierarchischen Forschungsstrukturen, um mehr Kritikalität zu ermöglichen. Hier wird deutlich, dass nicht nur inhaltliche Aspekte der Kunstgeschichte neu überdacht werden sollten, sondern, dass sie sich insbesondere auch mit der Form und der Produktionsweise des Diskurses auseinandersetzen. Im Zuge der Ausführungen wird immer wieder betont, dass feministische Forschung nicht nur interne disziplinäre Anliegen adressieren, sondern sich einer politischen Positionierung im interdisziplinären Kontext hingeben sollte, da es keine einheitliche konsensuale feministische Methodik gibt, sondern vielmehr eine politische Position, aus der man schreibt. Um diese Differenziertheit und kritischen Versuche des politischen Schreibens zu fördern, versuchen sie ein Netzwerk aus vielen Stimmen zu generieren. Ein Netzwerk ermöglicht es zudem, epistemologische Herausforderungen zu kollektivieren und sich über auftretende Schwierigkeiten beim feministischen Schreiben austauschen zu können und mögliche neue Strategien zu entwickeln.
Sie schließen mit Überlegungen zu den Herausforderungen feministischer Kunstgeschichtsschreibung im derzeitigen Jahrzehnt, und stellen dar, wie sich kollaboratives Arbeiten in einer globalisierten Welt, in welcher über größere Distanzen kommuniziert wird, verändert. Gleichzeitig betrachten sie, wie sich die Beziehung von intellektueller theoretischer Forschung und zivilgesellschaftlichem Aktivismus zu einer Zeit in der der feministische Diskurs Eintritt in die Öffentlichkeit gefunden hat, verhält. Sie betonen, dass sie durch die kollaborative Praxis den intersektionalen politischen Ansatz des feministischen Denkens vor der Reduzierung zu einem Werkzeug bewahren wollen.
Alles in allem erklärt der Text aus welcher Motivation heraus, das Medium des kollektiven Arbeitens, nach dem Vorbild der fem. Bewegungen der 70er Jahre, gewählt wurde, mit dem sie die gängigen Formen der Kunstgeschichtsproduktion hinterfragen und verändern wollen.


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Geniekult und Männlichkeitsbilder in der klassischen Musik
Luka Zimmer

Beethoven, Brahms, Mahler, Schuhmann. Versucht man eine Aufzählung einflussreicher Interpret/innen der ernsten Musik der letzten Jahrhunderte, wird eines schnell deutlich: Wir haben es mit einer Aufeinander Reihung männlicher Künstler zu tun. Wo sind die Frauen geblieben, mögen wir uns fragen. Um der Frage nachzugehen, bedarf es eines spezifischeren Blicks nicht nur auf die Produktionsverhältnisse unter denen Frauen Musik komponieren konnten bzw. nicht konnten, sondern auch auf die gesellschaftlichen Unterdrückungsmechanismen, die Männer als das starke, herrschende, vom künstlerischen Blitz getroffene Geschlecht darstellten. Auf zweiteres soll hier kurz eingegangen werden. Einer dieser gesellschaftlichen Erklärungsstrategien des aufkommenden 19. Jahrhunderts war der sogenannte Geniekult. Wir haben es hier mit einer Zeit nach der Aufklärung zu tun, indem die Übermacht der kirchlichen Kultur gebrochen wurde und in ein Laienmusizieren im bürgerlichen Konzertsaal überging. Doch der religiöse Habitus mit dem die Musik praktiziert wurde blieb bestehen. So wurde der bürgerliche Konzertsaal zum Kirchenersatz und der Komponist zum göttlichen Stellvertreter.1 Franz Liszt soll in Bezug auf Niccolo Paganini einmal gesagt haben:

„Das Genie ist die Macht, Gott der menschlichen Seele zu offenbaren.“

Schnell wuchs die Vorstellung eines aus der Romantik geprägten Bildes. Ein Bild der an Göttlichkeit grenzenden Genialität des Mannes, der asketisch, leidend, ungebunden, einsam am Rand oder, besser wohl, über der Gesellschaft stand. Dieser Mann wurde, wie von Zauberhand von einem Schaffensprozess befallen und schuf so seine genialen Kompositionen.
Das Dramatische in Bezug auf diese Vorstellung ist, dass damit eine Verschleierung der Produktionsverhältnisse der Werke einherging. Handwerkliches Können aus jahrelangem Studien, Fleiß, Konzentration sowie günstige Umstände, zu all dem Frauen keinen Zugang hatten, verschwanden unter dem Deckmantel der Genialität. Die Binarität des dunklen unklaren, unentwickelten Bewusstsein der Frau und dem hellen klaren Bewusstsein und die Fähigkeit zum scharfen Denken des Mannes wurde immer weiter verschärft. Dies ist im doppelten Sinne eine Diskriminierung der Frau: Sie kann weder genial sein, noch diese Genialität voll erfassen. So wird sie kulturell ausgeschlossen und bekommt zusätzlich die Zuweisung nicht die Fähigkeit zu besitzen, diese Kultur zu verstehen. Der Heroenkult manifestiert sich jedoch nicht nur in kultureller Produktion, sondern auch in Monarchen, Feldherren und Philosophen, die gemeinsam eine Männerherrschaft bildeten. Die Nachwehen des Geniekults werden uns heute in dem Versuch weibliche Komponistinnen aufzuzählen schmerzlich bewusst.